Rehabilitationsmaßnahmen nach [630414]

Rehabilitationsmaßnahmen nach
einem Insult

Fachbereichsarbeit

Eingereicht von: Herr Ovidiu TITEL
Eingereicht bei: Frau Mag.a Maria WALCHER , MBA

GRAZ, Mai 2018

I Eidesstat tliche Erklärung
Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit
selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und alle den benutzten Quellen wörtlich oder
sinng emäß entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

8010 Graz; 13.05.2018

II
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung ………………………….. ………………………….. ………………… I
Inhaltsverzeichnis ………………………….. ………………………….. ………………………….. II
Abkürzu ngsverzeichnis ………………………….. ………………………….. …………………. IV
1 Einleitung ………………………….. ………………………….. ………………………….. … – 1 –
2 Das Gehirn ………………………….. ………………………….. ………………………….. . – 2 –
2.1 Occipitallappen ………………………….. ………………………….. …………………. – 3 –
2.2 Parietallappen ………………………….. ………………………….. ………………….. – 4 –
2.3 Frontallappen ………………………….. ………………………….. …………………… – 4 –
2.4 Temporallappen ………………………….. ………………………….. ……………….. – 5 –
2.5 Tieferliegende Strukturen ………………………….. ………………………….. …… – 6 –
2.5.1 Hippocampus ………………………….. ………………………….. ……………… – 6 –
2.5.2 Fornix ………………………….. ………………………….. ………………………… – 8 –
2.5.3 Amygdala ………………………….. ………………………….. …………………… – 8 –
2.5.4 Insula ………………………….. ………………………….. ………………………… – 9 –
2.6 Der Hirnstamm ………………………….. ………………………….. …………………. – 9 –
2.6.1 Das Rautenhirn ………………………….. ………………………….. …………… – 9 –
2.6.2 Das Mittelhirn ………………………….. ………………………….. ……………. – 10 –
2.6.3 Das Zwischenhirn ………………………….. ………………………….. ……… – 10 –
2.6.4 Formatio reticularis ………………………….. ………………………….. ……. – 11 –
3 Zerebrale Durchblutung sstörungen, Schlaganfall …………………………. – 12 –
3.1 Stadien der zerebralen ischämischen Durchblutungsstörungen ……… – 12 –
3.2 Ischämische Durchblutungsstörungen ………………………….. ……………. – 13 –
3.3 Intrazerebrale Blutung ………………………….. ………………………….. ……… – 14 –

III 3.4 Subarachnoidalblutung ………………………….. ………………………….. …….. – 14 –
3.5 Thrombosen intrakranieller Sinus oder kortikaler Venen ………………… – 14 –
3.6 Prognose ………………………….. ………………………….. ……………………….. – 15 –
4 Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation …………………. – 16 –
4.1 Therapie und Rehabilitation nach einem Schlaganfall ……………………. – 17 –
4.1.1 Frührehabilitation – Langzeitrehabilitation ………………………….. …. – 18 –
4.2 Ziel der Rehabilitation ………………………….. ………………………….. ………. – 19 –
4.2.1 Motorisches Lernen ………………………….. ………………………….. …… – 19 –
4.2.2 Therapiemöglichkeiten zur Rehabilitation nach Schlaganfall …….. – 20 –
4.3 Akuter Schlaganfall: Therapie ………………………….. ……………………….. – 20 –
4.3.1 Mechanische Gerinnselentfernung ………………………….. …………… – 21 –
4.3.2 Notfalloperation ………………………….. ………………………….. …………. – 21 –
4.4 Physiotherapie ………………………….. ………………………….. ……………….. – 22 –
4.5 Ergotherapie schafft Alltagskompetenz ………………………….. …………… – 24 –
4.6 Grundlagen des Bobath -Konzepts ………………………….. …………………. – 26 –
4.7 Basale Stimulation bei Patientinnen und Patienten nach einem
Schlaganfall ………………………….. ………………………….. ………………………….. .. – 28 –
4.8 Elektrotherapie ………………………….. ………………………….. ……………….. – 31 –
4.9 HIROB – robotikgestützte Bewegungstherapie zur Verbesserung der
Rumpfkontroll e und -stabilität ………………………….. ………………………….. ……. – 33 –
5 Pflegediagnosen und Pflegeplanung im Bereich der Stroke Unit …… – 35 –
6 Zusammenfassung ………………………….. ………………………….. ……………… – 38 –
Liter aturverzeichnis ………………………….. ………………………….. ………………….. – 42 –

IV
Abkürzungsverzeichnis
ATL Aktivitäten des täglichen Lebens
ARAS Alarmierungsystem des Körpers
CT Computertomographie
EEG Elektroenzephalogramm
EMG Elektromyographie
FES Funktionelle Elektrostimulation
HIROB Rehabilitationsroboter
LTP Langpotenzierung
MRT Magnetresonanztomographie
NANDA North American Nursing Diagnosis Association
PRIND Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit
RIND Reversible s Ischämisches Neurologisches Defizit
Stroke Unit Schlagan fall S pezialisierte Klinikabteilung
TIA Transitorische Ischämische Attacke

1. Einleitung
– 1 – 1 Einleitu ng
Im Zuge meiner Ausbildung zum Gehobenen Dienst für Gesundheits – und
Krankenpflege habe ich ein Praktikum im Haus St. Barbara der Caritas der
Erzdiözese Wien absolviert. Dort hatte ich die Möglichkeit Patientinnen und
Patienten nach einem Schlaganfall zu betreuen.
Aus dem Verlauf dieser Erkrankung ergeben sich häufig körperliche und geistige
Beeinträchtigungen . Somit besitzt der zerebrale Insult einen hohen Stellenwert für
medizinische, pflegerische, therapeutische und soziale aber auch wirtschaftliche
Bereiche des Lebens und der Gesellschaft. Gemeinsames Ziel der verschiedenen
Berufsgruppen ist eine adäquate u nd qualitativ hochwertige Pflege, medizinische
Behandlung und Therapie der Patientinnen und Patienten.
Ziel meiner Arbeit ist es, durch Literaturrecherche, Beobachtungen während des
Praktikums und intensive Beschäftigung mit dem Thema
„Rehabilitationsmaßna hmen nach einem Insult“, folgende Fragestellung zu
beantworten: „Können physiologische Bewegungsabläufe durch
Rehabilitationsmaßnahmen wiedererlangt werden?“
Vorerst wird die Anatomie und Physiologie des Gehirns im Sinne der gestellten
Frage zusammengefass t. In einem weiteren Schritt werden die Einzelheiten zur
ischämischen Durchblutungsstörung dargestellt. Dabei werden unterschiedliche
Krankheitsformen sowie die Diagnostik und Therapie erläutert.
Der Hauptteil dieser Fachbereichsarbeit setzt sich mit den k onkreten
Rehabilitationsmaßnahmen einer ischämischen Durchblutungsstörung
auseinander. Sowohl die klinische Behandlung aber vor allem die
unterschiedlichen Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie, usw.) im Setting einer
spezialisierten Pflege werden vertie ft betrachtet.
Ausgewählte Konzepte wie zum Beispiel Bobath oder das Konzept der basalen
Stimulation aber auch die modernisierte Elektrostimulation werden im Rahmen
dieser Fachbereichsarbeit analysiert.
Letztendlich wird die prozessorientierte Fachpflege d argestellt als erforderliche
Basis und wichtige Drehscheibe zur Koordination und Evaluation des gesamten
pflegerischen und therapeutischen Prozesses.

2. Das Gehirn
– 2 –
2 Das Gehirn
Das Gehirn (lat. Cerebrum; griech. Cephalon) bildet die Steuerungszentrale
sämtlicher Abläufe im Körper. Das Gehirn an sich besteht aus etwa einhundert
Milliarden Nervenzellen. Nervenzellen werden auch Neuronen genannt und stellen
die kleinsten Einheiten des Nervensystems dar. Sie sind in einem sehr
engmaschigen Netzwerk miteinander verbunden. So kann eine einzige
Nervenzelle tausende Kontakte zu anderen Nervenzellen besitzen. Diese
Verknüpfungen entstehen über die Synapsen, welche eine Verbindung zwischen
den Nervenzellen untereinander, oder aber mit Muskeln herstellen.1
Über die Nervenzellen und deren Verbindungen werden elektrische Impulse
gesendet, welche für die Informationsübertragung zuständig sind. Diese
elektrischen Impulse k önnen zum Beispiel mit dem EEG (Elektroenzephalogramm,
misst die elektrische Aktivität des Gehirns) erfass t werden . Mit einem
durchschnittlichen Gewicht 1.200 bis 1.400 Gramm beim erwachsenen Menschen ,
macht das Gehirn 5% der gesamten Körpermaße aus und verbraucht einen Anteil
von ungefähr 15% des gesamten Energieverbrauches des Körpers. Das Gehirn ist
an allen Vorgängen im Körper beteiligt.2
Verletzungen des Gehirns haben Auswirkungen auf unterschiedliche
Körperfunktionen . Allerdings haben nicht alle Läsionen die gleiche Ausw irkung auf
die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Menschen.3
Bestimmte Hirngebiete arbe iten zusammen und haben spezielle
„Aufgabenschwerpunkte" wie zum Beispiel Bewegung, Gefühle, Sprache,
Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Im Weiteren werden einige dieser Schwerpunkte
beschrieben.4

1Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
04.04.2018 Uhrze it 02:22 S 1 ;
2Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGeh irn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
04.04.2018 Uhrzeit 02: 45 S 2;
3 Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
04.04.2018 Uhrzeit 02:48 S 2 ;
4Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
04.04.2018 Uhrze it 02:48 S 2;

2. Das Gehirn
– 3 –
Das zentrale Nervensystem übernimmt d ie Verarbeitung der Infor mationen, die
aus der Umwelt durch den menschlichen Körper wahr genommen werden . Das
zentrale Nervensystem wird in Gehirn und Rückenmark unterteilt. Das
Rückenmark liegt in der Wirbelsäule und ist ca. 40 bis 50 cm lang. Es leitet
Befehle des Gehirn s an die Muskeln weiter und besteht aus einer innen liegenden
grauen Substanz, sowie einer außenliegenden weißen Substanz. In der grauen
Substanz liege n die Nervenzellkörper und in der weißen Substanz die
Nervenleitungsbahnen. Wird das Rückenmark beschädigt, können je nach Ort der
Schädigung Lähmungen von Händen, Füßen oder auch Querschnittslähmungen
auftreten.5
Das Gehirn lässt sich zunächst in zwei große Bereiche unterteilen: das Großhirn
und de r Hirnstamm. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass es viel e
unterschiedliche Einteilungen des Gehirns je nach Lehrbuch und Arbeitsgruppe
gibt. Das Großhirn ist der jüngste Teil des Gehirns und auch der am weitesten
entwickelte. Es wird in verschiedene Untereinheiten aufgeteilt. Dies sind die vier
Gehirnl appen.6
2.1 Occipitallappen
Der Occipitallappen (Hinterhauptslappen ) ist der hinterste und kleinste H irnlappen .
Der Occipitallappen besteht aus drei Arealen. Zusammen mit dem Sulcus
calcarinus bilde t die primäre und sekundäre Sehrinde die Gesamtheit dieser
Gehirnregion aus. Über dem Sulcus calcarinus liegt der Cuneus, wobei darunter
der Gyrus lingualis lokalisiert ist. Der Occi pitallappen liegt am Hinterhauptbein an
und sitzt oberhalb des Kleinhirnzelts, das diesen Gehirnbereich vom direkt
darunter liegenden Kleinhirn t rennt. Der Occipital lappen grenzt sowohl an den
Temporal -, als auch an den Parietallappen an. D ieser Gehirnbereich ist auch unter
dem Begriff des visuellen Zentrums bekannt, da hier sämtliche visuellen
Informationen verarbeitet werden. Die primäre als auch sekundäre Sehrinde

5Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
04.04.2018 Uhrzeit 02:48 S 3;
6Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
05.04.2018 Uhrzeit 12:40; S 4;

2. Das Gehirn
– 4 –
werden oft als visueller Cortex zusammengefasst. Zusammen mit dem Parietal -,
dem Frontal – und dem Temporallappen ergibt der Occipital lappen die Gesamtheit
des Großhirns. Zum Temporallappen hat der Occipitallappen keine klar
erkennbare G renze .7
2.2 Parietallappen
Der paarig angelegte Parietallappen (Scheitellappen ) ist hauptsächlich für
Aufmerksamkeitsprozesse und sensorische Empfindungen zuständig. Mit
sensorischen Empfindungen sind Informationen gemeint, die über die Sinne
Sehen, Hören, Rie chen, Schmecken und Tasten aufgenommen werden.
Demzufolge kann eine Schädigung einerseits dazu führen, dass in bestimmten
Bereichen des Körpers sensorische Empfindungen nicht mehr gespürt werden und
anderseits , dass die Konzentration sinkt .8
2.3 Frontallappen
Als Frontallappen (Stirnlappen) wird ein Bereich im Großhirn bezeichnet, welcher
für die Steuerung von Bewegungen, Emotionen und der Persönlichkeit
mitverantwortlich ist. Überdies gilt er als Sitz der Persönlichkeit und des
Selbstbewusstseins. Aufgrund die ser Eigenschaften wird er von einigen
Wissenschaftlern und Autoren auch als „Organ der Zivilisation“ bezeichnet. Seinen
vielfältigen Funktionen führen dazu, dass Erkrankungen oder Beschwerden des
Frontallappens sich schnell auf die Psyche des Betroffenen a uswirken. Tumore
und Demenz, beides Erkrankungen die häufig in Verbindung mit dem
Frontallappen auftreten, ziehen Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur nach
sich. Vor allem das Humorzentrum ist betroffen und verändert sich im Verlaufe
erwähnter Erkr ankungen drastisch . Zu beobachten ist dies beispielsweise bei
Personen mit beschädigtem Frontallappen. Diese weichen in Bezug auf den
Humor deutlich von der Norm ab und verlieren die Fähigkeit, komplexere
Humorformen zu verstehen.9

7Vgl.: http://symptomat.de/Occipitallappen ; 05.04.2018; Uhrzeit 13:03;
8Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
05.04.2018 Uhrzeit 13:51 S 4;
9Vgl.: http://symptomat.de/Frontallappen ; 05.04.2018 Uhrzeit 16:10;

2. Das Gehirn
– 5 –
Der Frontallappen hat eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben. In erster Linie ist
er für die Bewegungen verantwortlich. Unterschieden wird hierbei zwischen
primär -motorischer Rinde, welche für die Ausführung von Bewegung
verantwortlich ist, und prämotorischer Rinde, welche f ür die Auswahl der
notwendigen Bewegungen zuständig ist. Die supplementär -motorische Rinde
synchronisiert beide Bereiche und ermöglicht dadurch situationsgerechte
Handlungen. Ein wichtiger Bestandteil des Frontallappens ist auch die sogenannte
Area 24. In diesem Bereich des Gehirns sitzen besonders viele pyramidenförmige
Spindelzellen, welche nur beim Menschen vorhanden sind. Dies lässt den Schluss
zu, dass diese Zellen und der Bereich, in dem sie sich befinden, für wichtige
Aspekte wie die Sprachentwicklun g und die Entwicklung des Selbstbewusstseins
zuständig ist. Generell wird vermutet, dass die Area 24 im Frontallappen eine
wichtige Rolle bei der menschlichen Evolution gespielt haben könnte .10
2.4 Temporallappen
Bei dem Temporallappen (Schläfenlappen) handelt es sich um den zweitgrößten
Lappen des Großhirns. Der Temporallappen gilt sowohl in seinen Funktionen als
auch anatomisch als abwechslungsreicher Bestandteil des menschlichen
Gehirns.11
Der Temporallappen übt einige wichtige Funktionen aus. Dazu gehört in e rster
Linie das Hören. So befindet sich das primäre Hörzentrum innerhalb der tiefen
Fissura lateralis. In den Windungen kommt es zum Endabschnitt der Hörbahn.
Diese ist für die Übertragung von Signalen der Sinneszellen in der Ohrschnecke
verantwortlich. Da s primäre Hörzentrum trägt auch die Bezeichnung Heschl´sche
Querwindungen und erreicht lediglich die Größe einer Briefmarke. Deutlich größer
fallen die tertiären und sekundären auditorischen Zentren aus, die sich in der
mittleren und oberen Windung des Sch läfenlappens befinden. Beinahe die
gesamte kortikale Fläche des Temporallappens wird von ihnen eingenommen. Am
Übergangspunkt zwischen mittlerer und oberer temporaler Windung zu den
Cortices des Hinterhau ptlappens kommt es zur Überschneidung von auditorisc hen

10Vgl.: h ttp://symptomat.de/Frontallappen; 05.04.2018 Uhrzeit 16:10 ;
11Vgl.: http://symptomat.de/Temporallappen ; 20.05.2018 Uhrzeit 20:11;

2. Das Gehirn
– 6 –
und visuellen Funktionen. Dort sind auch lexikalische Zentren untergebracht. Sie
dienen zum Erkennen von gesprochenen und geschriebenen Worten. Das
bekannteste Zentrum stellt das sensorische Wernicke -Sprachzentrum dar. Es
befindet sich zumeist in der linken Hemisphäre.12
Eine weitere bedeutende Aufgabe des Temporallappens ist das Riechen. Die
Riechbahn findet am Uncus (Haken) ihr Ende. Bei dem Uncus handelt es sich um
eine kleine Vorwölbung, die sich nach innen richtet. Unter den Riechrinden ist der
Mandelkern (Amygdala) zu finden, der funktional zum limbischen System zählt.
Unter anderem zeichnet die Amygdala für das Empfinden von Furcht
verantwortlich.13
Überaus wichtig ist der Schläfenlappen auch für das menschliche Gedächtnis.
Dies gilt besonders f ür den Gyrus parahippocampalis, in dem sich der entorhinale
Cortex befindet. Dieser bildet sozusagen eine Schnittstelle zwischen Dingen, die
soeben erlebt wurden und der Erinnerung. So sorgen der entorhinale Cortex und
die Hippocampusformation für die Eing abe von neuen Gedächtnisinhalten und das
Abrufen von schon bestehenden Erinnerungen. Trotz des reichhaltigen Wissens
über den Temporallappen, ist noch immer nicht genau bekannt, welche
Funktionen in seinen vorderen Bereichen ausgeübt werden14
2.5 Tieferliegende Strukturen
Zum Großhirn gehören allerdings auch tiefer gelegene Strukturen.15
2.5.1 Hippocampus
Der Hippocampus ist einer der wichtigsten Strukturen des Gehirns. Eine
Besonderheit ist, dass jede Gehirnhälfte (Hemisphäre) über einen eigenen
Hippocampus verfügt. D ieser fungiert als zentrale Schaltstation .16

12Vgl.: http://symptomat.de/Temporallappen; 20.05.2018 Uhrzeit 20:1 3;
13Vgl.: http://symptomat.de/Temporallappen; 20.05.2018 Uhrz eit 20:1 5;
14Vgl.: http://symptomat.de/Temporallappen; 20.05.2018 Uhrzeit 20:1 7;
15Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
05.04.2018 Uhrzeit 19:22; S 6;
16Vgl.: http://symptomat.de/Hippocampus ; 07.04.2018 Uhrzeit 1 9:20;

2. Das Gehirn
– 7 –
Die Weiterleitung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins
Langzeitgedächtnis ist die wichtigste Aufgabe des Hippocampus. Für die konkrete
Speicherung ist die Verbindungsstelle aber nicht verantwortlich. In medizinischen
Kreisen wird sie stattdessen als Schnittstelle gesehen, die neue Informationen
generiert. Bereits bestehende Informationen bleiben unverändert. Darüber hinaus
erfüllt die Schnittstelle die Funktion, bestehende Gedächtnisinhalte zu
koordin ieren. Dies wird am Beispiel der Heimatstadt deutlich. Versucht man, eine
Karte der Heimatstadt zu entwerfen, kommen Eindrücke aus unterschiedlichen
Zeiten und Orten zusammen. Der Hippocampus ist nun für das Zusammenführen
der Eindrücke verantwortlich. In der Konsequenz gelingt es dem Menschen, sich
in einer vertrauten Stadt zu orientieren. In der Wissenschaft spricht man hierbei
vom Ortsgedächtnis. Eine wichtige Aufgabe besteht zuletzt darin, Informationen
nach ihrer Variation zu unterscheiden. Umgangsspra chlich spricht man vom
Neuigkeitsdetektor. Die Idee basiert darauf, dass Informationen nicht gespeichert
werden müssen, wenn sie bereits bestehen. Stattdessen wird die Relevanz dieser
Information erhöht. In der Folge kann sie besser abgerufen werden.17
Ähnliches geschieht, wenn eine bereits bekannte Information leicht variiert wird.
Diese wird nicht erneut angelegt. Stattdessen wird die bereits vorhandene
Information verändert. Dies hat den Vorteil, dass Verwechslungen vermieden
werden. Hier wird die Gedäch tnisspur ebenfalls stabilisiert. Ferner spielt der
Hippocampus bei der Verarbeitung von Emotionen eine wichtige Rolle. Dies kann
auf die ausgeprägten Verbindungen zur Amygdala, dem Furchtzentrum,
zurückgeführt werden.18
Zusammen mit der Amygdala gelingt es, Freude, Trauer oder Angst intensiv zu
empfinden. Dies hat aber auch auf den Hippocampus selbst eine Auswirkung. So
können negative Reize mit hoher Intensität sogar zu einer Verkleinerung der
Gehirnstruktur führen. Die Rückbildung des Hippocampus konnte vo r allem bei
Depressionen und Angststörungen festgestellt werden. In der Folge werden
Emotionen schwächer empfunden.19

17Vgl.: http://symptomat.de/Hippocampus; 07.04.2018 Uhrzeit 19:2 2;
18Vgl.: http://symptomat.de/Hippocampus; 07.04.2018 Uhrzeit 19:2 5;
19Vgl.: http://symptomat.de/Hippocampus; 07.04.2018 Uhrzeit 19:2 8;

2. Das Gehirn
– 8 –
2.5.2 Fornix
Der Fornix cerebri gehört zum limbischen System und bildet eine gekrümmte
Projektionsbahn zwischen den Mamillarkörpern (Corpora mam illara) und dem
Hippocampus. Der Fornix cerebri lässt sich in vier Bereiche unterteilen und
besteht aus Fasern der Riechbahn. Er steht mit dem Abruf von Erinnerungen in
Verbindung, weshalb Schäden am Fornix cerebri zu entsprechenden
Gedächtnisstörungen füh ren.20
Die Neurologie rechnet den Fornix cerebri zum limbischen System, das unter
anderem für Emotionen, Gedächtnis, Antrieb und einige vegetative Aufgaben
verantwortlich ist. Zum limbischen System gehören verschiedene Hirnstrukturen,
die keine in sich gesc hlossene anatomische Einheit bilden, sondern in einem
funktionalen Netzwerk zusammengeschlossen sind. Die weiße Substanz des
Fornix cerebri stellt eine Verbindung zwischen diesen beiden Hirnregionen her.
Dabei fungiert der Hippocampus als Ausgangspunkt.21
2.5.3 Amygdala
Das menschliche Gehirn zählt zu den komplexesten Gebilden im gesamten
Universum und stellt Forscher immer noch vor große Rätsel. Ein Teil dieses
Wunderwerks der Natur ist die sogenannte Amygdala, deren Funktion schon seit
Urzeiten überlebenswichtig für den Menschen ist .22
Die Hauptaufgabe der Amygdala liegt in der Entstehung und Verarbeitung von
Angstzuständen sowie den damit verbundenen körperlichen Reaktionen. So zeigt
sie sich zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich in gefährlichen Situatione n
der Herzschlag drastisch erhöht und der Atem stockt. Auch das typische
Zusammenzucken beim plötzlichen Auftauchen einer Angst – oder Schrecksituation
wird durch die Verbindung von Amygdala und dem motorischen System des
Gehirns ausgelöst. Durch ihre Verkn üpfung mit dem Hypothalamus ist sie
außerdem dafür zuständig, diesem die Notwendigkeit einer Erhöhung der
Adrenalinproduktion in den Nebennieren zu signalisieren. Durch das Adrenalin

20Vgl.: http://symptomat.de/Fornix_cerebri ; 07.04.201 8 Uhrzeit 19: 32;
21Vgl.: http://symptomat.de/Fornix_cerebri ; 07.04.2018 Uhrzeit 19: 36;
22Vgl.: http://symptomat.de/Amygdala ; 07.04.2018 Uhrzeit 19: 40;

2. Das Gehirn
– 9 –
wird der Körper auf einen Kampf oder eine Flucht vor der drohenden Gefa hr
vorbereitet. Dafür nicht benötigte Prozesse wie die Verdauung werden dann
kurzzeitig eingeschränkt, um Energie für wichtigere Funktionen wie das Herz –
Kreislauf -System bereitzustellen. Gleichzeitig verarbeitet die Amygdala die von der
Angst entwickelten Emotionen und sorgt dafür, dass Informationen bzw. erlebte
Ereignisse mit Emotionen verknüpft werden.23
2.5.4 Insula
Die Inselrinde, auch Insula, Lobus insularis oder Insellappen genannt, ist eines der
geheimnisvollsten Teile des menschlichen Gehirns und kaum grö ßer als ein zwei
Euro Stück. Evolutionär ist dieser Teil des menschlichen Gehirns uralt und erfüllt
viele verschiedene Aufgaben, von denen noch längst nicht alle entdeckt sind .24
Gehirnforschung ist ein sehr komplexes und sehr schwieriges Aufgabengebiet. Si e
hat schließlich nicht nur die Aufgabe, die Funktionsweise des Gehirns als Organ
zu verstehen, was auch schon sehr kompliziert ist. Sie muss darüber hinaus auch
noch versuchen, zu ergründen, wie die Verknüpfung der Gehirntätigkeit mit
unserem Denken und F ühlen eigentlich funktioniert .25
2.6 Der Hirnstamm
Der Hirnstamm liegt unter dem Großhirn und kann, wie auch das Großhirn, in
verschiedene Bereiche eingeteilt werden. Der Hirnstamm besteht aus drei Teilen:
dem Rautenhirn, dem Mittelhirn und dem Zwischenhirn.26
2.6.1 Das Rautenhirn
Das Rautenhirn schließt direkt an das Rückenmark an. Deshalb wird die erste
Struktur – die Medulla Oblongata – auch verlängertes Mark genannt. Die Medulla
Oblongata steuert unter anderem den Blutkreislauf, die Atmung und verschiedene

23Vgl.: http://symptomat.de/Amygdala; 07.04.2018 Uhrzeit 19:4 1;
24Vgl.: http://symptomat.de/Inselrinde ; 07.0 4.2018 Uhrzeit 19: 50;
25Vgl.: http://symptomat.de/Inselrinde; 07.04.2018 Uhrzeit 19:5 5;
26Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
07.04.2018 Uhrzeit 19: 55; S 9;

2. Das Gehirn
– 10 –
Refle xe wie beispielsweise Schluck -, Nies -, und Hustenreflex. Oberhalb der
Medulla Oblongata befindet sich der Pons. Dieser ist wichtig für den
Gleichgewichtssinn . Funktionsstörungen des Ponses gehen häufig mit
Schwindelgefühlen und Gleichgewichtsstörungen einh er. Häufig sehen die
Betroffenen auch Doppelbilder. Die letzte Struktur, die auch zum Rautenhirn
gezählt werden kann, ist das Kleinhirn – auch Cerebellum genannt. Das Kleinhirn
befindet sich unterhalb des Okzipitallappens. Er ist nach dem Großhirn der
zweitgrößte Teil des Gehirns. Das Kleinhirn ist für die Motorik zuständig, also für
die Steuerung, Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen. Ihm werden
weiterhin wichtige Rollen im Bereich des Erlernens von Bewegungsabläufen und
der Regulation des Gleich gewichtssinnes zugeschrieben.27
2.6.2 Das Mittelhirn
Das Mittelhirn ist einerseits für die Reflexbewegungen der Augen und die
Augenmotorik zuständig und anderseits ist es eine wichtige Region für das
Hörsystem. Hier werden akustische Reize verarbeitet, so dass si e später bewusst
wahrgenommen werden können. Weiterhin ist das Mittelhirn wichtig für die
Schmerzwahrnehmung, Bewegungssteuerung und Willkürmotorik (bewusst
gesteuerte Bewegungen). Obwohl das Mittelhirn nur eine sehr kleine Struktur ist,
verlaufen hier vie le Nervenfasern, welche für verschiedenste Prozesse zuständig
sind.28
2.6.3 Das Zwischenhirn
Die dritte und letzte Struktur des Hirnstammes nennt sich Zwischenhirn. Im
Zwischenhirn befindet sich der Thalamus. Der Thalamus setzt sich aus vielen
einzelnen Kernen zu sammen, und gehört zu den komplexesten Gebilden im
Zentralen Nervensystem. Der Thalamus wird auch als das Tor zur Großhirnrinde
bezeichnet. Er filtert ankommende Informationen nach ihrer Wichtigkeit und
entscheidet, ob sie den Kortex erreichen und damit bewusstwerden , oder

27Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehi rn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
07.04.2018 Uhrzeit 20:05 ; S 9;
28Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
08.04.2018 Uhrzeit 09:20 ; S 10;

2. Das Gehirn
– 11 –
unterhalb der Bewusstseinsebene bleiben. Einzig die olfaktorisch aufgenommenen
Informationen werden nicht im Thalamus verarbeitet.29
2.6.4 Formatio reticularis
Es handelt sich hierbei nicht um einen genau umrissenen Bereich des Gehirns .
Die Fo rmatio reticularis ist vielmehr eine Ansammlung von Nervenzellen und
dazugehörigen Faserzügen, die sich durch verschiedene Bereiche des Gehirns
zieht. Die Formatio reticularis findet sich i m Hirnstamm, im Cerebellum (Kleinhirn),
dem verlängerten Mark und d em Rückenmark. Hier werden die über die Nerven
gesammelten Informationen sortiert und gefiltert . Die Formatio reticularis
„entscheidet" darüber, was wichtig genug ist, um an das Großhirn weitergeleitet zu
werden. Informationen, die nicht an das Großhirn we itergeleitet werden, können
durch Impulse der Formatio reticularis zu unbewussten Reaktionen führen. Sie ist
der wichtigste Bestandteil der körpereigenen „Alarmanlage", dem sogenannten
ARAS („Alarmierungs ystem" des Körpers).30
Das ARAS sorgt dafür, dass die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Handlung
fokussiert wird und Nebensächlichkeiten ausblende t werden . Das ARAS ist keine
anatomische Struktur im Gehirn, sondern eine Art Erklärungsmodell dafür, warum
in Gefahrensituationen das Überleben in den Vordergrun d gestellt wird.31

29Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
08.04.2018 Uhrzeit 09:30; S 10;
30Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
08.04.2018 Uhrzeit 09:48 ; S 10;
31Vgl.: www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf;
07.04.2018 Uhrzeit 11:10 ; S 11;

3. Zerebrale Durchblutungsstörungen, Schlaganfall
– 12 –
3 Zerebrale Durchblutungsstörungen, Schlaganfall
Nach der koronaren Herzkrankheit und malignen Tumoren sind zerebrale
Durchblutungsstörungen die dritthäufigste Todesursache in westlichen
Industrieländern. Wichtigster Risikofaktor ist die arterielle Hypertonie. Die akuten
(„schlagartigen“), mit Substanzschädigungen des Gehirns einhergehenden
Formen der zerebralen Durchblutungsstörungen werden als „Schlaganfall“
(Synonyma: Apoplex, apoplektischer Insult) bezeichnet. So logisch der Begriff des
Schlaganfalls erscheint, so umstritten ist die Zuordnung von Krankheitsbildern.
Manche Autoren fassen darunter nur die ischämischen Strukturschädigungen und
die intrazerebralen Blutungen zusammen . Andere Autoren bezeichnen damit das
gesamte Spektrum der ak uten zerebralen Durchblutungsstörungen, also auch die
Subarachnoidalblutung und die Sinusvenenthrombose.32
3.1 Stadien der zerebralen ischämischen
Durchblutungsstörungen
Stadium I
Symptomlose Gefäßstenose (Zufallsbefund)
Stadium II
Transitorische ischämische At tacke (TIA): neurologische Ausfälle, die innerhalb
von 24 h vollständig abgeklungen sind ( dauert meist ens eins bis zehn Minuten).
Die Art der Ausfälle hängt vom betroffenen Stromgebiet ab. Die meisten
transitorisch ischämischen Attacken sind thromboembolis cher Genese. (10–30 %
der Patient innen und Patienten mit einer TIA erleiden einen Hirninfarkt innerhalb
der folgenden fünf Jahre. Häufigste Todesursache bei Patient innen und Patienten
mit TIA ist aber der Herzinfarkt. Prolongiertes reversibles ischämisches
neurologisches Defizit (PRIND oder RIND): neurologische Ausfälle, die mehr als
24 h anhalten und sich innerhalb einer Woche vollständig zurückbilden.33

32Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A. 00 S.412-48 von 131 ;
33Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krau tzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.412 -48 von 131 ;

3. Zerebrale Durchblutungsstörungen, Schlaganfall
– 13 –
Stadium III
Manifester Schlaganfall: zunächst Vasoparalyse im ischämischen Areal mit
aufgehobener Autore gulation der zerebralen Perfusion, später (nach einigen
Stunden) noch Zunahme der Symptomatik durch ein sich entwickelndes
zytotoxisches Ödem mit Zellschädigung (progressive stroke). Die neurologischen
Ausfälle bleiben meist über mehrere Wochen bestehen. I rreversible Schäden
bleiben zurück. Die partielle Rückbildung der Ausfallerscheinungen beruht auf
einer verbesserten Durchblutung der Penumbra (Areal mit relativer Ischämie in der
Peripherie des irreversibel geschädigten Infarktgebietes).34
Stadium IV
Resid ualstadium eines abgelaufenen Schlaganfalls mit persistierendem
neurologischen Defizit.35
3.2 Ischämische Durchblutungsstörungen
Zerebrale ischämische Durchblutungsstörungen sind in ca. 80 % Ursache einer
Hirnschädigung und entstehen bei Stenose oder Verschluss der:
• extrakraniellen Hirnarterien (hirnversorgende Arterien): A rteria carotis
interna (ca. 50 % der Fälle, Lokalisation der Stenose meist an der
Karotisgabel), A rteria vertebralis (15 % der Fälle), seltener Arteria carotis
communis, Arteria subclavia, Tru ncus brachiocephalicus
• intrakraniellen Hirnarterien: Arteria cerebri media (25 % der Fälle), seltener
Arteria cerebri anterior und posterior, sehr selten Circulus arteriosus
Willisii.36
Zwei Drittel dieser ischämischen zerebralen Durchblutungsstörungen ents tehen
auf dem Boden einer arteriosklerotischen Makroangiopathie. Eine Vorschädigung
kann auf zwei Wegen zum Verschluss eines Gefäßes führen. Einerseits kann sich

34Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.4 13-49 von 131 ;
35Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; k ompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A. 00 S 413 -49 von 131 ;
36Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006, 3.A.0 0 S.415 -51 von 131 ;

3. Zerebrale Durchblutung sstörungen, Schlaganfall
– 14 –
ein Thrombus in einer vorbestehenden Stenose entwickeln und anderseits kann
sich ein Embolus aus einer atheromatösen Plaque lösen und ein distal gelegenes
Gefäß verschließen . Die Streuquelle ist häufig die Karotisbifurkation.37
In einem Drittel der Fälle liegen kardiale Embolien vor mit Ablösung eines
Gerinnungsthrombus, zum Beispiel bei absoluter Arrhythmie oder bei
Herzklappenfehlern.38
3.3 Intrazerebrale Blutung
In 15% sind Blutungen in die Gehirnsubstanz Ursache einer zerebralen
Durchblutungsstörung. Die Blutungsquelle liegt meist in arteriosklerotisch
veränderten kleinen Hirnarterienästen bei vorbe stehender langjähriger Hypertonie
(sog. Hypertensive Massenblutung). Seltener blutet es aus intrazerebralen
Aneurysmen oder arteriovenösen Fehlbildungen (Angiome, Kavernome) bzw. bei
schweren hämorrhagischen Diathesen oder in Folge eines Traumas.39
3.4 Subarach noidalblutung
Bei 5% der Patient innen und Patienten mit einem Schlaganfall liegt eine
Subarachnoidalblutung vor. In der Regel durch Ruptur eines Aneurysmas an der
Hirnbasis und selten bei arteriovenösen Angiodysplasien .40
3.5 Thrombosen intrakranieller Sinus od er kortikaler Venen
Bei 1% der Patient innen und Patienten mit einem Schlaganfall sind Thrombosen
des intrakraniellen Sinus oder der kortikalen Venen als Ursache auszumachen.
Primär sind diese Thrombosen bei thrombophilen Gerinnungsstörungen zu
beobachten , wie zum Beispiel bei Mangel an Antithrombin, Protein C oder S, im

37Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.41 5-51 von 131 ;
38Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.415 -51 von 131 ;
39Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.417 -53 von 131 ;
40Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.418 -54 von 131 ;

3. Zerebrale Durchblutungsstörungen, Schlaganfall
– 15 –
Wochenbett und bei Einnahme von oralen Antikonzeptiva . Sekundär kommen die
Thrombosen bei fortgeleiteten Infektionen oder nach einem Trauma vor.41
3.6 Prognose
Nach einem Schlaganfall bleibt ein Drittel der Patient innen und Patienten
langfristig pflegebedürftig . Ein weiteres Drittel der betroffenen Menschen kann sich
langfristig selbst versorgen und bei einem Drittel kommt es zur weitgehenden bis
vollständigen Rückbildung der Symptome.42

41Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auf lage; 2006 , 3.A.00 S.418 -54 von 131 ;
42Vgl.: Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz -Polster; S.
Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006 , 3.A.00 S.422 -58 von 131 ;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 16 –
4 Schla ganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
Besteht der begründete Verdacht eines Schlaganfalls zählt jede Minute. Der
betroffene Mensch muss schnellstmöglich zur ärztlichen Behandlung in ein
umliegendes Krankenhaus gebracht werden. Es ist von Vorteil, wenn das
Krankenhaus über eine eigene „Stroke Unit“ – eine speziell auf die Behandlung
von Patient innen und Patienten mit Schlaganfall ausgerichtete Abteilung – verfügt.
Damit eine gezielte Therapie erfolgen kann, muss herausgefunden werden ob
eine Minder durchblutung oder Hirnblutung besteht. Dies geschieht meist durch
bildgebende Verfahren, wie zum Beispiel eine Computertomographie (CT)
und/oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns.43
Beim Verschluss eines Gehirngefäßes durch ein Blutgerinnsel
(Minderdurchblutung) wird häufig die medikamentöse Lysetherapie angewandt,
um so das Gerinnsel aufzulösen. Eine weitere Möglichkeit ist die Thrombektomie,
bei der das Blutgerinnsel über einen Katheter abgesaugt wird. Des Weiteren kann
auch Acetylsalicylsäu re verabreicht werden, um das Wachstum des Blutgerinnsels
zu stoppen und somit auch dem Risiko eines weiteren Schlaganfalls
vorzubeugen.44
Bei einer Hirnblutung ist die Stillung der Blutung vorrangig. Ebenfalls muss meist
der zu hohe Blutdruck durch Medikam ente gesenkt werden. Ist eine größere
Menge an Blut in das umliegende Gehirngewebe ausgetreten, kann eine operative
Entfernung nötig sein. Welche Behandlungsmethode bei einem Schlaganfall
angewandt wird, ist je nach Diagnose und von Mensch zu Mensch versch ieden. 45
Auch angrenzende Hirnregionen (Penumbra) können betroffen sein. Wichtig ist
eine frühestmögliche Verbesserung der Durchblutung, um den Schaden auch in
den Grenzzonenbereichen zu minimieren – denn „time is brain“.

43Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganf all/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018 Uhrzeit 23:10 ;
44Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018 Uhrzeit 23: 30;
45Vgl.: https://stiwe ll.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018 Uhrzeit 23: 35;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 17 –
Ein Schlaganfallverdacht sollte grundsätzlich schnellstmöglich abgeklärt werden,
damit sofort mit der gezielten Behandlung begonnen werden kann.46
4.1 Therapie und Rehabilitation nach einem Schlaganfall
Folgen der durch die gestörte Blutversorgung verursachten Schädigungen im
Gehirn sind häuf ig körperliche Beeinträchtigungen. Mithilfe unterschiedlicher
Rehabilitationsmaßnahmen können beeinträchtigte Funktionen des Körpers zum
Teil vollständig oder mit Einschränkungen wiederhergestellt werden. Durch
strukturelle und funktionelle Veränderungen k önnen nicht geschädigte Bereiche
die Aufgaben der geschädigten Gehirnareale übernehmen (Neuroplastizität).47
Das Gehirn erholt sich von einer Schädigung nur, wenn es sich auf die neue
Situation entsprechend einstellen kann. Die Neuroplastizität ist die Mögl ichkeit zur
funktionellen und strukturellen Re -Organisation des Gehirns . Sie ist die wichtigste
Bedingung für d en Genes ungsprozess. Ähnliche Anpassungsreaktionen sind auch
die biologische Grundlage für motorisches Lernen im gesunden Leben. Nur weil
es „plastisch “ ist, kann das Gehirn durch therapeutische Pflege, Krankengymnastik
oder Medikamenten gezielt beeinflusst werden. Als erste r Therapie erfolg gilt eine
klinische Besserung die über die spontane Remission hinausgeht oder
„ungünstige “ Plastizität, wie z .B. eine Adduktorenspastik, vermeiden hilft. Im
Gehirn spielen viele ne uroplastische „Werkzeuge “ bei der Besserung und
Verschlechterung nach einem Schlaganfall eine wichtige Rolle:48
• die Übernahme der Funktion durch „ähnliche “ erhaltene Kortexareale
(Vikari ation),
• das Aussprossen von Axonen mit Bildung neuer Synapsen (axonales
Sprouting),
• die Regeneration von Dendriten und Axonen,

46Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.0 4.2018 Uhrzeit 23: 41;
47Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018 Uhrzeit 23: 43;
48Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behand lung-therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018 Uhrzeit 23: 47;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 18 –
• die „Freilegung “ bisher gehemmter, intrakortikaler Verbindungen
(Unmasking),
• der Untergang von über Synapsen verbundenen Zellen (negative
Plastizität)
• die synaptische Rezeptorvermehrung und Erregbarkeitserhöhung
(Lang potenzierung (LTP)),
• die Neubildung von N ervenzellen Vorläuferzellen (selten).49
Die klinische Erfahrung zeigt, dass die meisten Symptomverbesserungen
innerhalb weniger Tage und dann vor allem in den ersten drei Monaten nach
einem Schlaganfall auftreten. Danach verlan gsamt sich der Genes ungsprozess,
obwohl auch im chronischen Zustand nach über e inem Jahr noch relevante
Fortschritte erre icht werden können. Die Erholung wi rd entscheidend durch
individuelle Faktoren wie Motivation, Antrieb, Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und
das Ausmaß an Depression beeinflusst. Gerade hier ist ein relevanter
pflegerischer Ansatz zu sehen. In einer motivierenden und anregenden Umgebung
lernt es sich leichter und rehabilitiert es sich erfolgreicher.50
4.1.1 Frührehabilitation – Langzeitrehabilitation
Je früher mit der entsprechenden Rehabilitation (Wiederherstellung) begonnen
wird, desto besser ist das für den Therapieerfolg. Deshalb sollte berei ts im
Krankenhaus mit der Frührehabilitation begonnen werden. Durch ein
multidisziplinäres, abgestimmtes Therapeutenteam können mit den Patientinnen
und Patienten schon frühaktivierende Maßnahmen in der Pflege, Übungen zur
Steigerung der Bewegungsfähigkeit sowie Sprach – und Schluckübungen
ausgeführt werden.51

49Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 2 5.04.2018 Uhrzeit 01:01 ;
50 Vgl.: https://stiwell.medel.com/neuroreh abilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 01:01 ;
51 Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 14:1 1;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 19 –
Danach wird je nach Einschränkung entschieden, welche
Rehabilitationsmaßnahmen regelmäßig und über einen längeren Zeitraum
weitergeführt werden. Meist besteht der individuell abgestimmte Therapieplan aus
vielen unterschiedlichen Therapieverfahren der verschiedenen Fachgebiete
(Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Biofeedback, Elektrotherapie , usw. ). Es
steht meist ein komplexer und umfassender Therapieansatz im Vordergrund.
Wichtig ist, dass im Th erapieverlauf realistische, erreichbare und klare
Therapieziele gesetzt und diese regelmäßig angepasst werden. In der Therapie
werden heute oftmals die Aktivitäten des täglichen Lebens (A TL) geübt, um wieder
Schritt für Schritt in ein selbstständiges Leben zurückzufinden. Die Patient innen
und Patienten werden aufgefordert, die Aufgaben aktiv mit hoher Intensität zu
wiederholen. Die Übungen sollen so in den Alltag der Patient innen und Patienten
integriert werden.52
4.2 Ziel der Rehabilitation
Ziel der Rehabilitat ion ist die Rückkehr der Betroffenen zu einer möglichst
unabhängigen, selbstständigen und selbstbestimmten Lebensweise. Dies
beinhaltet die grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens, aber auch die
Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben. Manchmal können aufgrund der
Schwere des Schlaganfalls durch die Rehabilitation nur mehr die
Pflegebedürftigkeit und die Beschwerden verringert werden. D ie Patientin oder der
Patient ist oftmals auf Unterstützung im Alltag angewiesen. Dabei ist es wichtig,
Barriere n zu erkennen und Wege zu finden, um diese zu überwinden und
gegebenenfalls entsprechende Hilfsmittel oder weitere Therapiemaßnahmen
einzusetzen.53
4.2.1 Motorisches Lernen
Beim motorischen Lernen sollen Bewegungskompetenzen und Aktivitäten, welche
sich aus einze lnen koordinierten Bewegungen zusammensetzen, verändert oder

52Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 14:13;
53Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 14:24;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 20 –
nach Schädigung wieder neu erlernt werden. Entscheidend ist die aktive Mitarbeit
und Motivation de r Patientin oder des Patienten . Es handelt sich unter anderem
um einen erfolgreichen motorische n Lernprozess, wenn beispielsweise nach einer
Physiotherapie eine Verbesserung im Bewegungsablauf auch noch nach
mehreren Tagen erkennbar ist. Die Patient in oder der Patient soll in der Therapie
hintereinander mehrere Aufgaben in ausreichender, sich steige rnder Intensität und
in sich änderndem Ablauf regelmäßig üben. Der Sinn dahinter ist, dass sich der
Patient immer wieder neue Lösungen zur Ausführung der Bewegung sucht. Nach
Durchführung der Bewegung wird vom Gehirn geprüft, ob das gewünschte Ziel
erreich t wurde und danach als Erfahrung abgespeichert, um für die nächste
gleichartige Aufgabe automatisiert zur Verfügung zu stehen. Durch ein positives
Feedback nach Erreichen der Aufgabe kann der Therapieerfolg gesteigert
werden.54
4.2.2 Therapiemöglichkeiten zur Reh abilitation nach Schlaganfall
Es gibt u.a. folgende Therapiemöglichkeiten, die zu einer Verbesserung von
motorischen Funktionsdefiziten und Aktivitäten beitragen können:55
4.3 Akuter Schlaganfall: Therapie
Die sogenannte Thrombolyse gilt nach wie vor als Standa rd-Akuttherapie bei
einem ischämischen Schlaganfall. Dabei wird das Gerinnsel, das die Hirnarterie
verstopft, mit Hilfe eines intravenös verabreichten Medikamentes aufgelöst. In den
letzten Jahren wurde allerdings zunehmend klar, dass es für Patientinnen und
Patienten entscheidende Vorteile bringen kann, wenn das Blutgerinnsel mit Hilfe
eines kleinen Katheters und eines Drahtgeflechtes entfernt wird. Diese
sogenannte mechanische Thrombektomie hat sich in mehreren Studien
insbesondere bei Verschluss größerer Hirnarterien als erfolgreich erwiesen.
Häufig werden beide Methoden kombiniert. Dadurch ist es in vielen Fällen

54Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 14:51;
55Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfa ll/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 25.04.2018 Uhrzeit 14:54;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 21 –
möglich, rasch wieder eine ausreichende Durchblutung des Gehirns zu erreichen
und das Ausmaß der Schädigung zu minimieren.56
4.3.1 Mechanische Geri nnselentfernung
Ein relativ neuer Ansatz ist die mechanische Entfernung des Blutgerinnsels
(mechanische Thrombektomie, endovaskuläre Therapie) mit sogenannten „Stent –
Retrievern“.57
Die endovaskuläre Therapie wird in Ergänzung zur intravenösen Thrombolyse
(sofern indiziert) bei großen Verschlüssen von Hirngefäßen in einem Zeitraum von
sechs Stunden nach Symptombeginn empfohlen. Das Management erfolgt über
die Neurolog in oder der Neurologe der Spezialstation für die
Schlaganfallbehandlun g (Stroke Unit ) und der minimalinvasive Eingriff wird von
interventionellen Radiologinnen und Radiologen durchgeführt. Bei der
endovaskulären Therapie wird ein Drahtgeflecht in einem Katheter über die Leiste
direkt zum Gefäßverschluss im Gehirn geführt und das Gerinnsel damit
herausgezogen. Zwischen Indikationsstellung und Durchführung des Eingriffes
sollten nicht mehr als 90 Minuten liegen.58
4.3.2 Notfalloperation
Eine Notfalloperation ist bei einem Schlaganfall eher selten erforderlich. Bei
Vorliegen einer Subarachnoidalblutung werde n die betroffenen Menschen mit
einer Katheterangiographie weiter abgeklärt. Anhand dieser Aufnahmen kann
entschieden werden, ob ein zugrundeliegendes Aneurysma (Gefäßaussackung)
neurochirurgisch mit einem Clip ausgeschaltet wird oder die minimalinvasive
Methode der Coilembolisation durch die interventionelle (Neuro -)Radiologie
möglich ist. Dabei wird das Kopfgefäß über einen Zugang in der Leistenarterie von
innen erreicht. Anschließend werden Platinspiralen in das Aneurysma gelegt.

56Vgl.: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn -nerven/schlaganfall/therapie; 30.04.2018
Uhrzeit 18:36 ;
57Vgl.: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn -nerven/schlaganfall/therapie; 30.04.2018
Uhrzeit 18: 54;
58Vgl.: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn -nerven/schlaganfall/therapie; 30.04.2018
Uhrzeit 1 9:36;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 22 –
Heute ist diese minimal invasive Methode bei etwa 60 bis 80 Prozent der
Aneurysmen anwendbar. Andere Arten einer Hirnblutung erfordern nur dann eine
Operation, wenn die Gefahr einer zu großen Druckentwicklung im Gehirn besteht.
Wird als Ursache für eine TIA oder einen ischämische n Schlaganfall eine
hochgradige Verengung der Halsschlagader gefunden, wird innerhalb der
nächsten Tage die Verengung entweder operativ oder endovaskulär (innerhalb
des Gefäßes) beseitigt.59
4.4 Physiotherapie
Nach einem Schlaganfall tritt sehr häufig eine Halb seitenlähmung (Hemiparese)
auf. Die Patient in oder der Patient können eine Körperseite nicht mehr bewegen
da wichtige Nervenzellareale, die für die Motorik und Koordination zuständig sind,
in der dazugehörigen Gehirnhälfte funktionsfähig sind.60
Diese sogen annten Läsionen lassen sich nicht rückgängig machen. Allerdings ist
in vielen Fällen eine Kompensation möglich. Somit können intakt gebliebene
Strukturen im Gehirn die motorischen Funktionen der zerstörten Areale
übernehmen. Experten nennen diese Fähigkeit zur neuen Organisation des
Gehirns auch Plastizität. Die Physiotherapie fördert diese Plastizität. Die
Patient innen und Patienten erleben aber nicht nur einen Kontrollverlust über die
betroffene Körperseite, sondern oft auch einen Verlust des bisherigen
Körpergefühls (Gleichgewichts – und Positionsempfinden). Dies führt dazu, dass
sich Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auf die nicht betroffene Seite
konzentrieren und alle Aktivitäten mit dieser Seite ausgeführt werden. Eine Folge
davon ist die Zunahme der soge nannten „Spastizität" (gesteigerte
Muskelspannung) auf der betroffenen Körperseite. Durch eine gezielte, individuell
auf die Person abgestimmte Physiotherapie wird die Wiedergewinnung,
Verbesserung und Erhaltung der Mobilität möglich .61

59Vgl.: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn -nerven/schlaganfall/therapie; 30.04.20 18
Uhrzeit 1 9:50;
60Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/physiotherapie ;
01.05.2018; Uhrzeit 08:20 ;
61Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/physiotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 08: 33;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 23 –
Je früher die Physi otherapie einsetzt, desto höher sind die Chancen, dass die
Hemiparese sich bessert beziehungsweise zurückbildet. Unter Expert innen und
Experten gilt die Devise: Physiotherapie vom ersten Tag an. Auch wenn die
Patientin oder der Patient noch bettlägerig und sehr schläfrig ist, können die
Physiotherapeuten oft bereits mit ihrer Arbeit beginnen . Am Anfang steht die
Stimulation der intakten Hirnareale durch Druck, sanftes Bürsten sowie Berühren
und aktives wie passives Bewegen im Vordergrund . Die Art, Dauer und der
Zeitpunkt der Einleitung einer Physiotherapie erarbeitet die Physiotherapeutin oder
der Physiotherapeut individuell für die jeweiligen Patient innen und Patienten aus.
Entscheidend dabei sind das Krankheitsstadium, d ie Symptome und de r
allgemeine Zusta nd der Patientin oder des Patienten . Da ein Schlaganfall sich so
unterschiedlich äußern kann, sind auch die entstehenden Probleme vielfältig.62
Die Physiotherapeut innen und Physiotherapeuten werden auch den Angehörigen
vermitteln, wie wichtig es ist, die be troffene Seite zu fordern . Sie sollten sich zum
Beispiel immer auf die Seite mit der Lähmung setzen und auch Getränke usw. von
hier aus den Patientinnen und Patienten reichen. Der Nachtschrank, Bilder und
Blumen gehören ebenfalls auf die betroffene Seite. Am besten stell t das
Pflegepersonal oder die Angehörige das Bett bei Bedarf im Zimmer um, sodass
die Patientin oder der Patient gezwungen ist das Geschehen um sie oder um ihn
herum mit der gelähmten Körperhälfte wahrzunehmen. Muss die Patientin oder
der Pa tient im Bett gelagert werden, so sollte sie oder er möglichst häufig auf der
betroffenen Seite liegen, damit diese Reize erhalten die im Gehirn verarbeitet
werden müssen. Wichtig ist allerdings, die Lage durch kleinste Bewegungen –
Mikrobewegungen – ständ ig zu verändern. Anderenfalls kann es schnell zu einem
Druckgeschwür (Dekubitus) kommen.63
Ziele und Aufgaben der Berufsgruppe Physiotherapie
• Erreichen der maximalen physischen Selbständigkeit der Patient in oder des
Patienten

62Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/physiotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 08: 36;
63Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/physiotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 08: 41;

4. Schlaganfall Beh andlung, Therapie und Rehabilitation
– 24 –
• Herabsetzung der gesteigerten Muskelspannung (Spastizität)
• Anstreben normaler Bewegungsmuster
• Verbesserung der Wahrnehmung der betroffenen Seite
• Setzen von physiologischen Reizen (zum Beispiel Schwerkraft oder
Hautreize)
• Einbeziehung der Angehörigen in die Therapie: zum Beispiel die
Vermittlung der richtigen Lagerung der Patient in oder des Patienten.64
4.5 Ergotherapie schafft Alltagskompetenz
Mit dem griechischen Wort „Ergon" (bedeutet „Handeln“ oder „Tun") ist der
Schwerpunkt der Tätigkeit von Ergotherapeuten recht gut beschrieben.
Gesamtz iel der Ergotherapie ist die Schulung körperlicher und geistiger
Fähigkeiten zur Wiederherstellung beziehungsweise Erhaltung der
Selbstständigkeit der Patient innen und Patienten im persönlichen und sozialen
Bereich. Um eine möglichst hohe Eigenständigkeit zu erreichen, werden schon im
Krankenhaus grundlegende tägliche Aktivitäten trainiert. Eventuell werden dafür
auch Hilfsmittel eingesetzt.65
Die Ergotherapeuten bereiten Patient innen und Patienten nach einem Schlaganfall
auf den späteren Alltag vor . Alltäglichen Tätigkeiten wie zum Beispiel Anziehen,
Einkaufen, Baden, Waschen, Zähneputzen , usw. müssen viele Patient innen und
Patienten Schritt für Schritt wieder einstudieren. Oft sind diese Menschen
körperlich so beeinträchtigt, dass es ihnen schwerfällt, den Pullover über den Kopf
und die Hose hochzuziehen. Auch die Handlungsplanung bereitet meistens
Schwierigkeiten. Die Patient innen und Patienten wissen oft nicht mehr, ob sie
zuerst das Unterhemd oder den Pullover anziehen sollen oder an welchem Ende
sie die Hose halten müssen.66

64Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/physiotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 0 9:02;
65Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/ergotherapie ;
01.05.2018; Uhrzeit 12:03 ;
66Vgl.: http://www.vitanet. de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/ergotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 12:0 6;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 25 –
Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten üben zum Beispiel mit den Patientinnen
und Patienten in einer Übungsküche das Kaffee kochen und das Zubereiten oder
Aufwärmen der Mahlzeiten . Beim Schreibtraining kann es vorkommen, dass die
Ergotherapeutin oder der Ergotherapeut sich hinter die Patientin oder den
Patienten stellt und die Aufmerksamkeit durch engen Körperkontakt und
Berührung des Handrückens auf die Handlung lenkt. Dieses intensive Lenken
eignet sich besonders, wenn die Patientin oder der Patient an einem Neglect
leidet. Die Handlungsplanung lässt sich besonders gut beim Kochen trainieren:
Die Patientin oder d er Patient muss zunächst die Zutaten notieren, anschließend
geht sie oder er zusammen mit der Ergotherapeutin oder dem Ergo therapeuten in
einen Supermarkt, um die Einkaufsliste abzuarbeiten. Danach wird gekocht . Dies
erfordert extrem viel Konzentration, Handlungsplanung und Zeitmanagement. Zu
den Aufgaben der Ergotherapeuten oder des Ergotherapeuten gehör t es
außerdem die pass enden Hilfsmittel auszuwählen . Auch An – und Zugehörige
sollen den Umgang mit unterschiedlichen Hilfsmittel verstehen ( Rollator,
Badewannenlifter . usw.) . Schließlich bleiben Hilfsmittel oft ungenutzt und werden
sogar zu einer Gefahr . Auch Übungen zur Benutz ung von öffentlichen
Verkehrsmitteln gehören zum Maßnahmenkatalog der Ergotherapie , genauso wie
Hausbesuche zur eventuellen Wohnraumanpassung.67
Die Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten sind die Experten für alle
Alltagsfragen: Wenn etwa ein e Patientin od er ein Patient im Supermarkt seinen
Einkaufswagen nicht wiederfindet, empfehlen sie ihm beispielsweise, seinen Schal
an die Lenkstange zu hängen.68
Ziele und Aufgaben der Berufsgruppe Ergotherapie :
• Training motorisch -funktioneller Fähigkeiten
• Verbesserung d er Wahrnehmung und Ausführung von Bewegungen
• Schulung zur Bewältigung (täglicher) lebenspraktischer Aufgaben

67Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/ergotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 12: 10;
68Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/ergotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 12:13 ;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 26 –
• Förderung der Eigenaktivität der Patientin oder des Patienten zur
Verbesserung ihrer oder seiner Lebenssituation
• Schulung der Patientinnen oder Patienten im Umgang mit Hilfsmitteln
• Beratung und Anleitung von An – und Zu gehörigen zur Unterstützung der
betroffenen Person69
4.6 Grundlagen des Bobath -Konzepts
Das Bobath -Konzept entstand aufgrund empirischer Beobachtungen einer
Krankengymnastin, Berta Bobath. Frau Bobath hat in den 1940er Jahren
festgestellt, dass sich der Muskeltonus beeinflussen lässt. Zu diesem Zeitpunkt
war diese Aussage noch kaum vorstellbar und erntete Unverständnis. Berta
Bobath jedoch sammelte weiter Erfahrungen mit neurologisch erkrank ten
Patientinnen und Patienten und entwickelte ein Konzept, das sich u.a. mit der
Haltungskontrolle gegen die Schwerkraft und somit mit der Stabilität des Rumpfes
als Ausgangsbasis für Bewegung beschäftigt. Dafür hat Frau Bobath weltweite
Anerkennung erhal ten.70
Das Bobath -Konzept orientiert sich an normaler Bewegung . Die
Bewegungsabläufe im Alltag sind individuell unterschiedlich und dennoch mit
einander vergleichbar. Die Bewegung erfolgt um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Diese Ziele sind am häufigsten a lltagsbezogen. Die Bewegungen sind dabei
fließend, in der Kraft der Aufgabe angepasst und für den Körper möglichst
ökonomisch. Die Bewegungsmuster sind als solche auch im zentralen
Nervensystem gespeichert. Nervenzellen verknüpfen sich zu einer Struktur, z u
einem Netz, das die Bewegungen nach zahlreichen Wiederholungen automatisch
verlaufen lassen. Diese r Vorgang im Gehirn wird als Plastizität bezeichnet . Das
bedeutet, dass lebenslanges Lernen möglich ist. Nach einer zentralen Schädigung

69Vgl.: http://www.vitanet.de/krankheiten -symptome/schlaganfall/rehabilitation/ergotherapie;
01.05.2018; Uhrzeit 12: 13;
70Vgl.: Pflege von Patienten m it Schlaganfall; Cassier -Woidasky , Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 98 ;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 27 –
können dem entsp rechend bekannte Bewegungsmuster zum Teil oder vollständig
wieder abgerufen werden.71
Der Musk eltonus beschreibt den Spannungszustand der Muskulatur. Er sollte so
hoch sein, dass das Skelett gegen die Schwerkraft gehalten werden kann.
Gleichzeitig ist aber auch Bewegung notwendig, die die Muskulatur zulassen
muss. Die Ausgewogenheit zwischen Anspannung und Entspannung ist deshalb
von wesentlicher Bedeutung. Es gibt verschiedene Faktoren, die den Muskeltonus
beeinflussen. Zu den unspezifischen gehören zum Bei spiel Temperatur,
Lautstärke, Emotionen sowie Angst und Freude. Spezifische Faktoren, die den
Muskeltonus beeinflussen, sind:
• Die Unterstütz ungsfläche, das ist die Fläche auf der sich der Körper
hält oder aufliegt.
• Der Einfluss von Schwerkraft.
• Die Stellun g der Schlüsselpunkte zueinander. Schlüsselpunkte (SP)
sind Körperregionen mit einer hohen Dichte an Rezeptoren. SP sind:
der Schultergürtel, beide Hüften mit dem Becken, der Thorax, der
Kopf sowie Hände und Füße. Die Stellung der Schlüsselpunkte
zueinande r gibt Auskunft über die Einstellung der Muskulatur für die
nächste Bewegung.
• Stabilität für Mobilität. Zunächst müssen Abschnitte des Körpers
stabil sein, damit in anderen Abschnitten Mobilität möglich ist.72
An einem Beispiel soll verdeutlicht werden, das s diese Faktoren einander
bedingen und ergänzen:
Liegt ein Mensch in Rückenlage, so ist die Unterstützungsfläche die Matratze. Ob
der Mensch die gesamte Unterstützungsfläche annehmen kann oder nicht, hängt
von seinen Möglichkeiten ab, die Muskulatur entspr echend zu entspannen. Häufig
ist es so, dass der Körper im Lenden wirbelsäulenbereich noch etwas hohl liegt

71Vgl.: Pflege von Patienten m it Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 98 ;
72Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 99;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 28 –
und die Knie oder auch andere Körperabschnitte nicht auf der Matratze abgelegt
werden können. Die Schultern als Schlüsselpunkte liegen tendenziell hinter dem
Thorax als zentraler Schlüsselpunkt (d.h. der Matratze näher). Dadurch ist die
muskuläre Voreinstellung für Streckung gegeben. Annähernd jede Bewegung aus
der Rückenlage heraus ist jedoch eine Bewegung in Richtung Beugung (Anheben
des Kopfes ode r des Beines).73
Die Schwerkraft wirkt noch zusätzlich auf den Körper ein und erschwert
Bewegungen aus dieser Position heraus. Die Muskulatur kann nicht loslassen und
spannt sich im Gegenteil sogar weiter an. Weil nicht der gesamte Körper die
Unterstützung sfläche annehmen kann, kommt es zu einer Dysbalance der
Rumpfmuskulatur (meist zu einer vermehrten Spannung im Rückenbereich) und
das Anheben des Kopfes oder eines Beines fällt schwer. Gelingt es, dass der
gesamte Körper in Rückenlage die Unterstützungsflä che annehmen kann, ist mehr
Stabilität gegeben und die Muskulatur befindet sich in einer günstigeren Position
für Bewegungen.74
Das Bobath -Konzept knüpft an bekannte Bew egungsmuster an un d nutz t die
vorhandenen Vernetzungen der Muskulatur und des zentr alen Nervensystems.
Durch einen Schlaganfall sind Anteile, sehr selten alle der Verknüpfungen eins
Bewegungsmusters zerstört. Es kann in einzelnen Bewegungsabschnitten z u
Unterbrechungen kommen, die von de n Pflegenden erkannt und zielgerichtet
unterstützt wer den.75
4.7 Basale Stimulation bei Patientinnen und Patienten nach
einem Schlaganfall
Basale Stimulation ist ein Konzept zur Förderung von Menschen in krisenhaften
Lebenssituationen, in denen ihre Austausch – und Regulationskompetenzen

73 Vgl.: P flege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 100 ;
74 Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 100 ;
75Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 100;

4. Schlaga nfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 29 –
deutlich vermindert, einge schränkt oder dauerhaft behindert sind. Dabei stehen
Fähigkeiten zur Wahrnehmung, Kommunikation sowie zur Bewegung im Zentrum
des Konzepts. Durch einfache und grundlegende Austauschangebote und -hilfen
sollen Kompetenzen erhalten, gesichert und aufgebaut w erden. Basale
Stimulation ist eine Form ganzheitlicher und körperbezogener Kommunikation für
Menschen mit wesentlichen Ein schränkungen und geht davon aus, dass das
Gehirn ein soziales Organ ist.76
Der wesentliche Unterschied zu anderen Förderkonzepten beste ht darin, dass die
Selbstbestimmung und die Persönlichkeit der Patientin oder des Patienten hierbei
im Vordergrund stehen. Es geht also nicht darum, die Patientin oder den Patienten
zu „heilen “, sondern ihr oder ihm Angebote zu machen, um die eigene Entwic klung
selbst bestimmen zu können, i n dem das Interesse zur eigenen Person geweckt
wird. Das gemeinsame Handeln ist der Kerngedanke des Konzeptes und nicht die
Durchführung traditioneller, pflegerischer Tätigkeiten.77
Um Basale Stimulation praktisch umsetzen zu können, benötigen Pflegende sowie
Therapeutinnen und Therapeuten bestimmte Kompetenzen:
• Fähigkeit zur Informationssammlung,
• differenzierte Beobachtung: jemanden „lesen “,
• Einschätzung des Pflegebedarfs,
• Einschätzung des Bewusstseins,
• Begleitung bzgl. Tages- und Lebensgestaltung,
• Umweltgestaltung,
• zentrale Ziele umsetzen können.78

76Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 119;
77Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 120;
78Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S.120;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 30 –
Die zentralen Ziele sind ein eigenständiger Begriff im Konzept und meinen die
möglichen Ziele aus Sicht der Patientin oder des Patienten . Die zentralen Ziele
beschreiben die individuelle Motivation und Befindlichkeit eine r Patientin oder
eines Patienten und bieten Pflegenden die Möglichkeit, deren pflegerischen
Techniken auf einen einzelnen Menschen konkret abzustimmen: Eine basal
stimulierende Ganzkörperwaschung kann für jemande n, dem das eigene Leben
spüren wichtig ist, deutlich nachmodellierend erfolgen. Bei jemanden, dem Sinn
und Bedeutung geben wichtig ist, würde der Schwerpunkt einer
Ganzkörperwaschung eher auf dem Begreifen von Alltagsgegenständen (wie fühlt
sich eine Zahnb ürste an ?) in einem Badezimmer liegen. Was braucht die Patientin
oder der Patient hier und heute?79
Das Konzept der Basalen Stimulation umfasst eine Vielzahl von pädagogischen
und pflegerischen Techniken. Hier sollen vor allem zwei pädagogische Techniken
hervorgehoben werden, die in der Entwicklungsförderung von Patientinnen und
Patienten nach einem Schlaganfall en erheblichen Einfluss haben und im
Folgenden beschrieben werden. Der Figur -Grund -Kontrast ist ein eigenständiger
Begriff und meint vor allem den r eflektierten Umgang mit möglichen Störungen.
Ein Foto, das der Patientin oder dem Patienten gezeigt wird, wird vor einem
unruhigen Hintergru nd nicht wirken wohl aber vor einem einfarbigen Hintergrund.
Ein Mensch der Schmerzen hat, wird sich nicht gerne bew egen. Ein Getränk auf
der Neglectseite wird eher wenig beachtet.80
Konzepte wirken vor allem dann, wenn sie in einem gemeinsamen Rhythmus
umgesetzt werden. Ein zu schnelles oder auch zu langsames Handeln wird eher
als nicht wirksam bis störend beschrieben. Gemeinsames Handeln und soziale
Interaktion werden erst durch einen gemeinsamen Rhythmus entwickelt.81

79Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 120;
80Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Ca ssier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 121;
81Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2Auflage 2014;
S. 121;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 31 –
4.8 Elektrotherapie
Die Elektrotherapie kann für die Rehabilitation nach einem Schlaganfall optimal als
Ergänzung zur konventionellen Bewegungstherapie eing esetzt werden. Nach
Abschluss der Akutbehandlung kann bereits stationär mit der Elektrotherapie in
der Klinik begonnen werden. Danach sollte über einen längeren Zeitraum
regelmäßig im Rahmen eines festgelegten Therapieplans ambulant oder stationär
gearbeit et werden. Nach Einweisung durch das medizinische Personal in die
Anwendung des Elektrotherapiegerätes können manche Elektrotherapiegeräte
von Patientinnen oder Patienten auch für die Heimtherapie gemietet werden.
Somit ist die Elektrotherapie in allen Pha sen der Neurorehabilitation einsetzbar.
Die Effektivität der Elektrotherapie wurde in mehreren Studien nachgewiesen.82
Durch einen Schlaganfall funktioniert die Signalweiterleitung vom Gehirn über das
Rückenmark und die Nervenbahnen an den Muskel teilweise nicht mehr, da die
dafür zuständigen Hirn -/Nervenzellen geschädigt oder abgestorben sind.
Infolgedessen werden die betroffenen Muskeln gar nicht oder nicht mehr so häufig
angeregt und die Muskelmasse nimmt ab (Muskelatrophie). Durch den Einsatz
von Elektr otherapie soll dies verhindert werden. Die Elektrotherapie kann die
schlaffe Muskulatur zu Beginn der Therapie aufbauen und hilft dabei,
Bewegungsabläufe mit Unterstützung von Elektrostimulation und Biofeedback
wieder zu erlernen. Für den Therapieerfolg so llten gezielte, reproduzierbare
Funktionen bei häufiger Wiederholung geübt werden.83
Funktionelle Elektrostimulation (FES)
Mit der funktionellen Elektrostimulation sollen komplexe Bewegungen
wiederhergestellt werden. Dies erfolgt durch die zeitlich gut koor dinierte,
aufeinanderfolgende Stimulation von Muskeln und Muskelgruppen, die zur
Ausführung einer funktionellen Bewegung aktiviert werden müssen. Der betroffene
Muskel wird durch elektrische Stimulation der Nervenenden (Motorpoints) zur

82Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therap ie-
und-rehabilitation -new; 24.04.2018; Uhrzeit 16:28 ;
83Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018; Uhrzeit 16:2 9;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 32 –
Kontraktion gebra cht. Mittels auf der Haut aufgeklebter Elektroden wird ein
elektrisches Feld erzeugt, welches das Nerven – und Muskelgewebe anregt und
somit di e Kontraktion des Muskels bewirkt . Durch die Interaktion mit dem
Nervensystem erhält das Gehirn eine positive Rück meldung über die erfolgte
Bewegung. Nach regelmäßig wiederholter Anwendung ist es möglich, dass sich
neue Kontaktstellen zwischen einigen Gehirnzellen bilden. Gesunde Gehirnareale
können so teilweise die verloren gegangenen Aufgaben abgestorbener Zellen
übernehmen (EMG -getriggert).84
Aufgrund der gezielten Initialisierung und Kontrolle der Muskelbewegung kann die
funktionelle Stimulation in Kombination mit physiotherapeutischen oder
ergotherapeutischen Behandlungsmethoden das Therapieergebnis entscheidend
verbessern. Zentral gelähmte Muskulatur ist über Elektrostimulation kurativ
trainierbar. Bei inkompletten Querschnittslähmungen können Restfunktionen
verbessert werden. Ferner kann die funktionelle Stimulation dazu beitragen, einen
spastischen Muskel durch d essen Detonisierung zu entspannen .85
Beispiele für die funktionelle Elektrostimulation sind folgende Bewegungsabläufe:
Hand zu Mund, Greifen oder Loslassen, Hand öffnen oder schließen, Arm
strecken, Aufstehen, Behandlung einer Fußheberschwäche , usw .86
Zusät zlich zur Physio – und Ergotherapie kann die EMG -getriggerte
Elektrostimulation als sinnvolle Therapiemaßnahme empfohlen werden. Dabei
wird die Aktivität eines Muskels gemessen und ab einem gewissen Maß an
Muskelaktivität ( zum Beispiel durch willkürliches A nspannen) erfolgt die
Stimulation. Die EMG -getriggerte Elektrostimulation nach Schlaganfall dient
einerseits der Steigerung der Willkürmotorik und anderseits der Minderung von
Spastiken (Muskeltonus wird reduziert) und führt somit insgesamt zu einer
Verbes serung der Fähigkeiten des täglichen Lebens. Die EMG -getriggerte

84Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation /schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018; Uhrzeit 16: 32;
85Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018; Uhrzeit 16: 36;
86 Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilitation -new; 24.04.2018; Uhrzeit 16:36 ;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitatio n
– 33 –
Elektrostimulation ermöglicht nach individueller Programmierung durch die
Therapeutin oder den Therapeuten die Förderung kontrollierter, zielgerichteter
Handlungsabläufe der Patientin oder des Patienten .87
4.9 HIROB – robotikgestützte Bewegungstherapie zur
Verbesserung der Rumpfkontrolle und -stabilität
Der Rehabilitationsroboter „hirob“ ermöglicht eine einzigartige Bewegungstherapie
zur Verbesserung der Rumpfkontrolle und -stabilität der Patientin oder des
Patienten mit Bewegung des Pferderückens in der Gangart „Schritt “ nach und
macht so die Durchführung der automatisierten Hipotherapie möglich88
Die Therapie mit „hirob" bewirkt:
• eine erhöhte Aktivität der Rumpf – und Rückenmuskulatur
• eine Ve rbesserung der selektiven Beckenbewegung
• eine Verbesserung der Becken – und Rumpfaufrichtung
• eine Verbesserung der Rumpfstabilität
• eine Verbesserung des statischen und dynamischen Gleichgewichts89
Dies wird durch die dynamische, dreidimensionale Bew egung des Roboters und
die spezielle, einem Pferderücken ohne Sattel nachempfundener Sitzform erreicht.
Die Therapie mit „hirob" ist grundsätzlich bei sämtlichen Pathologien, die einen
instabilen Rumpf verursachen, sinnvoll. Die klinische Studie bestätigt die äußerst
positive Wirkung bei Patientinnen und Patienten mit neurologischen Defiziten, wie
beispielsweise nach einem Schädel -Hirn-Trauma oder Schlaganfall. Sehr gute
Resultate mit dieser Therapie konnten bisher auch bei Patientinnen und Patienten
mit Mu ltipler Sklerose und Kindern mit Zerebral parese erzielt werden. Weitere
mögliche Einsatzbereiche von „hirob" sind bei Patientinnen und Patienten mit

87Vgl.: https://stiwell.medel.com/neurorehabilitation/schlaganfall/schlaganfall -behandlung -therapie –
und-rehabilita tion-new; 24.04.2018; Uhrzeit 16: 39;
88Vgl.: http://www.intelligentmotion.at/wp –
content/themes/intelligentmotion/downloads/Folder_hirob_2016_de.pdf ; 24.04.2018; Uhrzeit 1 7:19;
89Vgl.: http://www.intelligentmotion.at/wp –
content/themes/intelligentmotion/downlo ads/Folder_hirob_2016_de.pdf ; 24.04.2018; Uhrzeit 1 7:21;

4. Schlaganfall Behandlung, Therapie und Rehabilitation
– 34 –
Parkinson, Querschnittslähmung oder orthopädischen Erkrankungen. Klinische
Studien, die eine Wirkung bei diesen Krankheitsbildern belegen, sind derzeit in
Planung.90
Die komplexe dreidimensionale Bewegung eines Pferderückens in der Gangart
„Schritt" wurde mit Hilfe eines 3D -Bewegungsanalysesystems präzise erfasst und
anschließend auf den Roboter übertragen. Da s sich daraus ergebende
physiologische Bewegungsmuster wird im Rahmen der Therapie mit „hirob"
eingesetzt. Eine weitere Besonderheit von „hirob" ist der spezielle Therapiesitz in
Form eines Pferderückens. Dieser unterstützt aktiv die Becken – und
Rumpfaufri chtung der Patientin oder des Patienten . Hirob bietet die Möglichkeit,
das Bewegungsmuster zu variieren (Pferdebewegung im Schritt, Schaukel, Welle
etc.). Zusätzlich kann die Intensität und Geschwindigkeit der Bewegung individuell
auf die Bedürfnisse und d ie körperliche Verfassung der Patientin oder des
Patienten eingestellt werden. Die hohe und vor allem rasche Anpassungsfähigkeit
von „hirob" an die Patientin oder den Patienten bzw. dessen Zustand unterstützt
den Erfolg in jeder Therapiephase optimal. Somi t wird ein Einsatzzeitraum von der
Früh- bis zur chronischen Phase von „hirob" gewährleistet. Die exakte
Nachahmung des Gangmusters, sowie andere individuell auf die Patientin oder
den Patienten abgestimmte Bewegungsmuster, ein einfacher und rascher
Patien tentransfer , wie auch eine äußerst wirtschaftliche Therapiedurchführung
ermöglichen einen breiten Einsatz dieser wirkungsvollen Therapie .91

90Vgl.: http://www.intelligentmotion.at/wp –
content/themes/intelligentmotion/downloads/Folder_hirob_2016_de.pdf; 24.04.2018; Uhrzeit 17: 23;
91Vgl.: http://www.intelligentmotion.at/wp –
content/themes/inte lligentmotion/downloads/Folder_hirob_2016_de.pdf; 24.04.2018; Uhrzeit 17:19 ;

5. Pflegediagnosen und Pflegeplanung im Bereich der Stroke Unit
– 35 –
5 Pflegediagnos en und Pflegeplanung im Bereich der
Stroke Unit
Die Bezugspflegekraft erhebt zunächst notwendige perso nenbezogene und
medizinische Daten sowie die Vitalzeichen. Das Assessment offensichtlicher oder
versteckter pflegerischer Risikopotenziale ermöglicht es, sofort geeignete
Maßnahmen einzuleiten. Mit der Patientin oder dem Patienten und auf Wunsch
auch seine n An- und Zu gehörigen führt die Bezugspflegekraft innerhalb der ersten
Woche ein Biografiegespräch. Vorrangig sollten folgende biografische Kriterien
erfasst werden, um sie im Rahmen des Pflegeprozesses nutzen zu können:92
• Welche Selbstpflegestrategien ha t die Patientin oder der Patient in ähnlichen
Krankheitsphasen seines Lebens genutzt?
• Welche Einstellung vertrat die Patientin oder der Patient vor seiner Erkrankung
zur eigenen Gesundheit bzw. Krankheit?
• Welche internen und externen Ressourcen stehen der Patientin oder dem
Patienten zur Verfügung, um aktiv an der Verbesserung seines
Allgemeinzustand es mitzuwirken?
Für eine systematische Vorgehensweise empfiehlt es sich, die Pflegeanamnese
an einem anerkannten Pflegemodell zu orientieren. In den station ären
Langze itpflegeeinrichtungen der Altenhil fe ist das Pflegemodell der
„Rehabilitierenden Prozesspflege “ von Monika Krohwin kel (2008) am weitesten
verbreitet. 93
Bei der darauffolgenden Erstellung der Pflegeplanung werden bestehende
Beeinträchtigungen ink lusive deren Ausprägung beschrieben. Da der Erfolg aller
Rehabilitationsbemühungen im hohen Maße von der aktiven Beteiligung der
Patientin oder des Patienten abhängig ist, ist es wichtig, die bestehenden

92 Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage
2014; S. 239 ;
93 Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold , Glahn; 2 Auflage
2014; S. 239 ;

5. Pflegediagnosen und Pflegeplanung im Bereich der Stroke Unit
– 36 –
Beeinträchtigungen aus Sicht des Betroffenen zu be trachten und nach dessen
Wertigkeit in den Pflegeplanungsprozess einfließen zu lassen. 94
Insbesondere die als sehr belastend empfundenen Handicaps können so
zielstrebig durch geeignete Maßnahmen und positive Rückkoppelung angegangen
werden. Dazu werden auc h kleine Teilerfolge aufgezeigt und gelobt. Hilfreich ist
zudem, nicht nur das Problem zu benennen, sondern auch die Ursache für das
bestehende Problem zu ergründen. Dies erleichtert die Formulierung realistischer
Ziele und die Auswahl geeigneter Pflegemaß nahmen. Zudem müssen die
Wechselwirkungen der bestehenden Probleme deutlich werden. Eine bestehende
Aphasie kann sich nicht nur auf die Kommunikationsfähigkeit auswirken, sondern
auch das soziale Umfeld beeinträchtigen, wenn sich der Betroffene aus Scham,
Frustration oder dem Ärger nicht verstanden zu werden, aus dem öffentlichen
Leben zurückzi eht. Der soziale Rückzug beeinflusst jedoch wiederum die
Entwicklung des Kommunikation verhaltens.95
Im Unterschied zur klassischen pflegerischen Versorgung in
Langzei teinrichtungen, bei der die Pflegeziele vor allem in der Erhaltung liegen,
strebt die rehabilitierende Pflege die Verbesserung von vorliegenden
Beeinträchtigungen an. Im Anschluss an die Zielformulierung legt die
Bezugspflegekraft mit der Patientin oder dem Patienten die Maßnahmen fest und
beschreibt sie so, dass alle beteiligte Pflegekräfte die Leistungen zweifelsfrei in
gleicher Weise erbringen können , mit dem Ziel, dass die Patientin oder der Patient
seine Fähigkeiten aktiv einsetzen und weiterentwickeln kann. Ergänzend dazu
werden die Therapiepläne der anderen beteiligten Gesundheitsberufe
berücksichtigt und alles auf die individuellen , häuslichen Bedingungen
abgestimmt. Dazu ist es notwendig, dass sich Pflege, Medizin und Therapie
regelmäßig im Rahmen v on Einzelfallbesprechungen austauschen. Im Gegensatz
zur Langzeitpflege müssen die Evaluationszeiträume in der rehabilitierenden
Pflege kürzer gefasst sein, um Fort – oder Rückschritte der Patientin oder des

94 Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage
2014; S. 239 ;
95 Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage
2014; S. 239;

5. Pflegediagnosen und Pflegeplanung im Bereich der Stroke Unit
– 37 –
Patienten zeitnah erkennen zu können. Steht die Entlassung der Patientin oder
des Patienten in seine vertraute Umgebung im Vordergrund, haben die
Alltagskompetenzen der Patientin oder des Patienten oberste Priorität.96
Pflegediagnosen werden laut NANDA wie folgt definiert: Eine Pflegediagnose ist
eine k linische Beurteilung über die Reaktion eines Individuums, seiner Familie
oder seiner Gemeinschaft auf aktuelle oder potentielle Gesundh eitsprobl eme bzw.
Lebensprozesse. Pfl egediagnosen bilden die Grundlage zur Auswahl von
Pflegeintervention en zur Erreichun g von Ergebnissen, für die Pflegende
verantwortlich sind .97
Der Unterschied zwischen Pflegediagnosen und medizinischen Diagnosen besteht
darin, dass letztere die Krankheit für ein Individuum nennen und medizinische
Behandlungen begründen. Sie beschreiben in einer Kurzform die
Gesundheitsprobleme oder Krankheiten, die eine medizinische Behandlung
erforderlich machen . Pflegediagnosen dagegen beschreiben das
Krank heitserleben von Einzelpersonen, aber auch von Gemeinschaften (etwa die
Patientin oder der Patient mit seinen An – und Zu gehörigen und seinem sozialen
Netzwerk), und beziehen das Verhalten der Menschen mit ein, dass sich als
physiologi sche, psychische und soziale Reaktion auf Gesundheitsprobleme oder
Lebensprozesse ergibt. Wie bei der Zielfestlegung, so spielen auch bei der
Evaluation des Pflegeproz esses beide Perspektiven eine Rolle; a) die Perspektive
des pflegebedürftigen Menschen (und der An – und Zu gehörigen) und b) die
Perspektive der professionell Pflegenden. Ausschlagge bend ist auch hier die
Bewert ung, wie erfolgreic h die geplanten Maßnahmen und Strategien u mges etzt
werden konnten und wie gut es gelingt, z. B. neue Verhaltensweisen in den Alltag
zu integrieren. Die Evaluation soll auch Erkenntnisse darüber erheben , warum ein
Vorgehen nicht zu m Erfolg führte und revi diert bzw. umgestellt werden musste.98

96Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage 2014;
S. 88;
97Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage 2014;
S. 89;
98Vgl.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woida sky, Nahrwold, Glahn; 2 Auflage 2014;
S. 152.

6. Zusammenfassung
– 38 –
6 Zusammenfassung
Das wichtigste Ziel einer neurologischen Rehabilitation nach einem Insult ist die
Rückkehr der betroffenen Menschen zu einer selbstständigen, selbstbestimmten
und weitgehend unabhängig en Lebensweise.
Die zerebrale Durchblutungsstörung ist nach wie vor eine häufige Erkrankung und
eine der häufigsten Todesursachen in Österreich. Aus diesem Grund setzt sich
diese Fachbereichsarbeit mit der Rehabilitation nach einem Schlaganfall
auseinander .
Nach einem Insult ist der Bedarf einer professionellen Rehabilitation für alle
betroffenen Menschen gegeben. Nahezu ein Drittel der Patientinnen und
Patienten erholt sich weitgehend wohingegen ein Drittel der Betroffenen mit
beträchtlichem Pflegebedarf w eiterlebt.
Aufgrund des breiten Einsatzes von neurologisch spezialisierten „Stroke Unit“ hat
sich die Anzahl der Menschen die in den Genuss von sehr raschen
neurologischen Behandlungsmaßnahmen nach einem Schlaganfall kommen in
den letzten Jahren signifikan t erhöht. Aus diesem Grund bekommt die
neurologische Rehabilitation nach ischämischen Durchblutungsstörungen in den
letzten Jahren eine ganz besondere Bedeutung. Letztendlich kommt es darauf an,
dass in den ersten Minuten die richtige Diagnose gestellt wir d, inklusive aller
notwendigen Untersuchungen (Computertomografie, Magnetresonanz, usw.). Des
Weiteren müssen die klinischen Sofortmaßnahmen unverzüglich eingeleitet
werden (medikamentöse Lysetherapie, Trombektomie, Therapie mit
Acetylsalicylsäure, Notfall operation, usw.). Ganz nach dem Motto „time is brain“
geht es darum frühestmöglich die Verbesserung der zerebralen Durchblutung zu
erreichen um in den gesamten Grenzzonenbereichen des Gehirns den Schaden
zu minimieren.
Die richtige Kombination zwischen Dia gnose, Therapie und Rehabilitation macht
eine vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Gesundheitszustandes
möglich. Die Neuroplastizität des Gehirns führt dazu, dass die nicht beschädigten
Areale neue Aufgaben übernehmen können und somit durch ei ne entsprechende
Rehabilitation das neu entstandene zerebrale Muster durch Wiederholungen

6. Zusammenfassung
– 39 –
gefestigt werden muss. Deswegen ist das Zusammenspiel zwischen Pflege,
Medizin und medizinisch -technische Fachdienste die wichtigste Basis für einen
Therapieerfolg. Als Therapieerfolg versteht sich jene klinische Besserung die über
eine spontane Remission hinausgeht oder durch die eine ungünstige Plastizität
vermieden werden kann.
Die klinische Erfahrung zeigt, dass die meisten Symptomverbesserungen in den
ersten dre i Monaten auftreten. Deswegen ist die frühe Einleitung einer
umfangreichen Rehabilitation unumgänglich um den Therapieerfolg zu
maximieren. Ganz konkret sollte es nach dem Aufenthalt an der Stroke Unit zu
keinerlei Unterbrechung der eingeleiteten Rehabilit ation kommen. Wo auch immer
diese Zeit überbrückt werden muss aufgrund von fehlenden Kapazitäten in den
spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen muss jede notwendige
Rehabilitationsmaßnahme prioritär umgesetzt werden.
Die wirksame Rehabilitation nach e inem Insult setzt voraus, dass in Ergänzung an
die fachärztliche Betreuung sowohl Pflegepersonen als auch medizinisch –
technische Fachdienste (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Diätologie,
usw.) eine Spezialisierung für dieses Fachgebiet mitbringen.
Die Physiotherapie sollte nach Möglichkeit noch am ersten Tag nach erfolgter
Diagnostik eingeleitet werden. Sowohl in der Physio – als auch in der Ergotherapie
ist die Miteinbeziehung von An – und Zugehörige von größter Bedeutung für einen
kontinuierlichen u nd erfolgreichen Rehabilitationsprozess über die
Aufenthaltsdauer in einem Krankenhaus oder Rehabilitationszentrum hinaus. Das
Gesamtziel der Ergotherapie im Kontext neurologischer Erkrankungen ist die
Schulung körperlicher und geistiger Fähigkeiten zur Wi ederherstellung der
Selbstständigkeit der betroffenen Menschen in ihrem Lebensalltag.
Die Literaturrecherche zeigt, dass die Anwendung des Bobath Konzeptes aus
einem professionellen Rehabilitationsprozess nach einem zerebralen Insult nicht
wegzudenken ist . Die Bewegungsmuster sind eigentlich im Zentralnervensystem
gespeichert. Die somit verknüpften Nervenzellen bilden eine Struktur die dafür
verantwortlich ist, dass ständig wiederholte Bewegungen automatisiert werden.
Nach einer ischämischen Schädigung kön nen solche automatisierten
Bewegungen zum Teil oder vollständig wieder abgerufen werden.

6. Zusammenfassung
– 40 –
Nicht weniger wichtig ist, in Anlehnung an die betrachtete Literatur die Anwendung
des Konzeptes der basalen Stimulation. Dieses Konzept stellt die Behandlung von
Menschen in krisenhaften Lebenssituationen, in denen ihren Austausch und
Regulationskompetenzen deutlich vermindert, eingeschränkt oder dauerhaft
behindert sind in den Mittelpunkt. Die basale Stimulation ist also eine Form
ganzheitlicher und körperbezogener K ommunikation für Menschen mit
wesentlichen Einschränkungen und geht davon aus, dass das Gehirn ein soziales
Organ ist.
Zusätzlich zur Physio – und Ergotherapie kann die elektromuskuläre Stimulation als
zusätzliche Therapiemaßnahme angewendet werden. Mit der funktionellen
Elektrostimulation können komplexe Bewegungen wiederhergestellt werden. Nach
regelmäßig wiederholter Anwendung ist es möglich, dass sogar neue
Verbindungen zwischen einzelnen Gehirnzellen zustande kommen. In zahlreichen
Studien wurde die Wir ksamkeit der Elektrotherapie in allen Phasen der
neurologischen Rehabilitation eindeutig nachgewiesen. Die Elektrotherapie eignet
sich ganz besonders auch als Therapiemaßnahme die im Anschluss an die
stationäre Betreuung zu Hause fortgeführt werden kann.
In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise auf die hohe Wirksamkeit der
robotikgestützten Bewegungstherapie (HIROB) zur Verbesserung der
Rumpfkontrolle und -stabilität. Dadurch ist die Durchführung der automatisierten
hippo Therapie möglich. Die Thera pie mit HIROB ist grundsätzlich bei sämtlichen
Krankheitsbilder die einen instabilen Rumpf verursachen sehr sinnvoll.
Die strukturierte Anwendung des Pflegeprozesses sichert die Kontinuität in der
Anwendung aber auch die regelmäßige Evaluierung sämtlicher pflegerischen und
therapeutischen Maßnahmen. Vom ersten Augenblick an muss die
Aufmerksamkeit des gehobenen Dienstes für Gesundheit und Krankenpflege auf
die bevorstehende Entlassung und somit auf das Erlangen der dazu notwendigen
Fähigkeiten abzielen.
Abschließend kann die wissenschaftliche Fragestellung dieser Arbeit weitgehend
positiv beantwortet werden. Die Erlangung von physiologischen
Bewegungsabläufe ist durch die professionelle und aufeinander abgestimmte

6. Zusammenfassung
– 41 –
Anwendung von klinischen und therapeutisc hen Maßnahmen im Setting einer
neurologisch spezialisierten Pflege auf jeden Fall möglich.

Literaturverzeichnis
• Basislehrbuch Innere Medizin; kompakt – greifbar – verständlich; H. Renz –
Polster; S. Krautzig; Jörg Braun; 3. Auflage; 2006
• http://symptomat.de
• http://www.intelligentmotion.at/wp –
content/themes/intelligentmotion/downloads/Folder_hirob_2016_de.pdf
• http://www.vitanet.de/
• https://stiwell.medel.com/
• https://www.gesundheit.gv.at/
• Pflege von Patienten mit Schlaganfall; Cassier -Woidasky, Nahrwold, Glahn ; 2
Auflage 201 1
• www.ratgeber -neuropsychologie.de/gehirn/ DasGehirn_Aufbau_und_Funktion.pdf

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